„Ich halte es für sinnvoll und wichtig, dass Jugendliche schon früh Gelegenheiten bekommen, in die Arbeitswelt zu schauen.“
Anja Keßler-Wölfer leitet die Kommunikationsabteilung der Städtischen Werke Magdeburg. Als Kommunikationsexpertin unterstützte sie das Projekt GRÜNDERKIDS bereits mit Workshops zum Thema Öffentlichkeitsarbeit und gab dabei ihr Wissen um eine professionelle Unternehmenskommunikation an die Schülerfirmen Sachsen-Anhalts weiter. Schülerfirmen als pädagogische Schulprojekte sind aus Ihrer Sicht eine gute Möglichkeit für das spätere Berufsleben entsprechende Erfahrungen zu sammeln und Kompetenzen zu erwerben.
Frau Keßler-Wölfer, wir arbeiten ja schon länger gemeinsam. Was hat Sie denn dazu motiviert, sich für das Projekt GRÜNDERKIDS zu engagieren?
Ich halte es für sinnvoll und wichtig, dass Jugendliche schon früh Gelegenheiten bekommen, in die Arbeitswelt zu schauen und in Kontakt mit Praktikern zu treten. Wenn sie „echte“ Leute aus Unternehmen kennenlernen, die in der Realität das tun, was die Jugendlichen im geschützten Rahmen der Schule innerhalb der Schülerfirma üben, dann können sie quasi einen Realitätscheck machen und dabei eine Menge lernen. Je früher Schülerinnen und Schüler die Arbeitswelt kennenlernen, desto leichter fällt ihnen später der Wechsel von der Schule in die Berufswelt.
Und wir als Unternehmen erfahren: Wie ticken Jugendliche? Wie sieht deren Lebenswelt aus? Die Beantwortung dieser Fragen ist für uns wichtig, denn das sind unsere Mitarbeiter:innen der Zukunft. Mit ihnen wollen wir in Kontakt kommen und diesen Kontakt auch halten. Außerdem möchten wir als Unternehmen sichtbar werden. Wir suchen immer Wege, um in die Köpfe und Herzen zu kommen – die Verfügbarkeit von Wasser, Strom und Wärme ist für alle heutzutage selbstverständlich. Wir wollen aber auch als Menschen hinter diesen Leistungen sichtbar werden.
Welche Formate und Themen der Zusammenarbeit mit GRÜNDERKIDS finden Sie denn besonders sinnvoll, jetzt und in Zukunft?
Ich finde die von Ihnen organisierten Workshops in kleinen Gruppen sehr gut. Sie sind eine gute Gelegenheit, niedrigschwellig in Kontakt zu kommen. Man kann in einem begrenzten Rahmen auf jede Frage eingehen, individuelle Absprachen sind gut möglich.
Ein Austausch vor Ort im Unternehmen kann dahingehend ergänzen, die schulische Herangehensweisen nochmal in Anforderungen der echten Arbeitswelt zu übersetzen. Im Unternehmen könnten Schülerinnen und Schüler sehen, wie wir arbeiten, welche (technischen) Möglichkeiten wir nutzen und welche Netzwerke wir pflegen bzw. wer wiederum unsere Partner sind. Wenn es uns gelingt, ein spannender außerschulischer Lernort zu werden, an dem schulisches Lernen mit realen Aufgaben verknüpft wird, wäre das für alle von Vorteil - für die Jugendlichen und auch für die Lehrkräfte. Denn die Lehrkräfte, die ich kennengelernt habe, sind mit sehr viel Herzblut und Engagement dabei, und mal in ein Unternehmen einzutauchen, kann für sie ein spannender Perspektivwechsel sein.
Zudem halte ich Patenschaften mit interessierten Schülerfirmen oder einzelnen Jugendlichen für möglich. Es ist zum Beispiel vorstellbar, dass Schülerinnen und Schüler Aufgaben, die sie für die Schule bearbeitet haben, uns zuschicken. Wir würden uns die Zeit nehmen, diese durchzuschauen und aus praktischer Perspektive Tipps und Hinweise zu geben. Damit können wir den Jugendlichen neue Anregungen mit auf den Weg geben.
Was brauchen denn Kinder und Jugendliche aus Ihrer Sicht für die Arbeitswelt der Zukunft?
Sie brauchen natürlich erstmal so basale Dinge wie Höflichkeit und Pünktlichkeit. Aber auch, wie man richtig telefoniert oder E-Mails schreibt – vieles davon kann man sicher in Schülerfirmen gut lernen. Wir haben tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass solche Kompetenzen nicht selbstverständlich sind. Deshalb müssen wir als Unternehmen häufig an Grundlegendem arbeiten.
Was zukünftig immer relevanter wird, ist das Thema Medienbildung. Informationen suchen und bewerten, relevante von irrelevanten Informationen unterscheiden, zielgerichtet recherchieren, Tools am PC kennen und anwenden können und auch den Datenschutz beachten - das sind Fähigkeiten und Kompetenzen, die praktisch zukünftig in allen Berufsfeldern von Belang sein werden. Und natürlich braucht es eine Bereitschaft zum lebenslangen Lernen.
Was denken Sie, wie Schülerfirmen darauf einzahlen können?
Wenn Jugendliche am Übergang von der Schule in die Berufswelt sind, müssen sie in kürzester Zeit lernen, selbstständig zu denken und zu handeln, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu tragen – all das können sie in einer Schülerfirma schon lange vorher üben. Das halte ich für extrem hilfreich. Es wird ihnen nützlich sein, dass sie die Erfahrung gemacht haben, gemeinsam im Team auf ein Ziel hinzuarbeiten.
Sich abstimmen müssen, kooperieren, Gedanken, Wünsche und Ideen austauschen, mit Kritik umgehen, Rückschläge aushalten, sich selbst einbringen, die eigenen Stärken nach vorn bringen –projektbezogenes Arbeiten im Team – all das formt die eigene Persönlichkeit und führt schließlich dazu, dass man Möglichkeiten und Gelegenheiten sucht und findet, auf die man allein nicht gekommen wäre.